21. Juli 2011

"...und das Leben, das man kennt, hört auf." BUCHTIPP


Copyright: Ullstein Buchverlage

Joan Didion: Das Jahr magischen Denkens
List Taschenbuch, 255 S., 8,95 €, ISBN 978-3-548-60770-2

"Das Leben ändert sich schnell.
 Das Leben ändert sich in einem Augenblick.
Man setzt sich zum Abendessen, und das Leben, das man kennt, hört auf."

Das waren die ersten Worte, die Joan Didion nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes schrieb. Und es waren für längere Zeit auch die Letzten.
Mit diesen Worten beginnt auch ihr neues Buch, das sich intensiv und sezierend mit ihrer neuen Lebenssituation auseinandersetzt.  Ihr Mann, der Schriftsteller John Gregory Dunne erleidet am 30. Dezember 2003 einen Herzinfarkt und stirbt. Ihre Tochter Quintana liegt mit einer lebensbedrohlichen Infektion auf der Intensivstation eines New Yorker Krankenhauses. 5 Wochen nach Erscheinen dieses Buches ist auch sie gestorben.

Joan und ihr Mann waren vierzig Jahre miteinander verheiratet und haben ihr Leben intensiv miteinander geteilt. Anders als andere Paare konnten sie auch ihren Beruf, das Schreiben, immer in ihrem gemeinsamen Haus ausüben. Sie waren einander im Leben und in der Arbeit alles. Wie geht man mit so einem Verlust um, was macht es mit einem? Kann man einen Sinn darin finden?

Als Intellektuelle und Schriftstellerin beginnt Joan Didion, Literatur zum Thema Krankheit, Tod und Sterben zu lesen und zitiert aus eine Vielzahl von Werken in ihrem Buch. Sie beschreibt ihre Hilflosigkeit und ihre anfängliche Verweigerung, den Tod Johns zu akzeptieren. Am Ende des Buches, genau ein Jahr nach Johns Tod schreibt sie:

"Ich weiß, warum wir versuchen, die Toten am Leben zu halten: Wir versuchen sie am Leben zu halten, um sie bei uns zu behalten. Ich weiß auch, dass, wenn wir selbst leben wollen, irgendwann der Punkt kommt, an dem wir die Toten auslöschen müssen, sie gehen lassen, sie tot sein lassen müssen."

Schon lange habe ich kein Buch mehr gelesen, das mich so beeindruckt hat. Manche Sätze möchte man sich irgendwo aufschreiben, um sie nicht zu vergessen und sie sich immer wieder hervorholen zu können. Es ist ein Buch, das nicht nur einmal gelesen werden will und das mich sicher lange begleiten wird.

Eine Rezension von Susanne Martin (Schiller Buchhandlung, Stuttgart)