22. Juli 2011

Ein Grab, ein Eichhörnchen, eine Haselnuss, ein Baum



Als ich gestern nach "meinem" Grab auf dem Degerlocher Friedhof schaute, gab es ein paar Blätter zu entfernen, und es ist in den letzten Tagen und Wochen auch so manches aufgegangen, das nicht von mir, sondern von Flora und Fauna selbst gesät worden war. Als ich an einem solchen Bäumchen zog, kam es samt Haselnuss aus dem Boden und überzeugte mich in Sekunden, dass es nichts für die Biotonne sei. Jetzt ist es bei uns, darf hier wachsen und unsere Terrasse verschönern. Da ist mehr Platz dafür, als auf dem Urnengrab. Ich werde hier hin und wieder berichten, wie es ihm geht.


Das Hesse-Gedicht, Gestutzte Eiche, passt nur sehr bedingt zu unserem kleinen Baum. Weil er keine Eiche ist und auch keine werden wird. Weil er, anders als der im Gedicht beschriebene Baum, noch nicht viel Lebenserfahrung sammeln konnte.
Aber immerhin, es ist ein Baumgedicht, und wir lieben es sehr.
Gründe genug, um es hier einzufügen:

Wie haben sie dich, Baum, verschnitten
Wie stehst du fremd und sonderbar!
Wie hast du hundertmal gelitten,
Bis nichts in dir als Trotz und Wille war!
Ich bin wie du, mit dem verschnittnen,
Gequälten Leben brach ich nicht
Und tauche täglich aus durchlittnen
Roheiten neu die Stirn ins Licht.
Was in mir weich und zart gewesen,
Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt,
Doch unzerstörbar ist mein Wesen,
Ich bin zufrieden, bin versöhnt,
Geduldig neue Blätter treib ich
Aus Ästen hundertmal zerspellt,
Und allem Weh zu Trotze bleib ich
Verliebt in die verrückte Welt.